Piano Rag Music + Tango
Klein, drahtig, muskulös durchtrainiert, von nervöser Präsenz sollte der Tänzer sein, wenn er sich an dieses bravouröse Solo wagt, das dem Publikum soviel Gaudi bereitet, wie es dem Interpreten alle Kondition abverlangt. Es besteht aus zwei unterschiedlichen Teilen, die rasches Umschalten auf die neue Stilistik erfordern. „Piano Rag Music“ schrieb Igor Strawinsky 1919 als seine erste Originalkomposition für Klavier und als Reaktion auf den nach Europa einströmenden Jazz. Es begeisterte ihn, schrieb er in seinen Erinnerungen, „dass die verschiedenen rhythmischen Episoden des Stücks mir von den Fingern selbst geradezu diktiert wurden, und weil meine Finger solchen Spaß daran hatten, habe ich das Stück geschrieben“. Hierzu nutzt er das Klavier auch als Schlaginstrument, bei dem der Klang gehämmert, gerupft und gezupft wird. Daraus entwickelt sich in der Mitte der eigentliche Ragtime voller rhythmischer Asymmetrien. „Tango“ entstand 1940, bekundet Strawinskys waches Interesse an modernen Tanzformen und bezieht sich nicht auf den geglätteten europäischen Tango, sondern seine Urform, den Tango Argentino. Dessen Pendeln zwischen Melancholie, Schmachten und Machismo übernimmt die Musik in eigener Färbung. Uwe Scholz fügte die beiden Teile 1984 zu einem spannungsvollen Gegeneinander für John Alleyne in Toronto. Schon 1985 erarbeitete er mit seinem einstigen Klassenkameraden Mark McClain eine auf diesen zugeschnittene Fassung, die McClain außer in Stuttgart auch in Zürich und Leipzig, sein Bruder Michael McClain in Ulm und Mönchengladbach tanzte. Als eine von Scholz’ populärsten Schöpfungen wurde das Solo gerne von anderen Kompanien übernommen, zum Beispiel: 1986 Nederlands Dans Theater I mit Lionel Hocke; 1990 Komische Oper Berlin mit Thomas Vollmer; 2004 Deutsche Oper Berlin mit Goyo Montero; 2009 Leipziger Ballett mit Giovanni Di Palma.
Daten
Musik/music: Igor Strawinsky, Piano Rag Music, Tango, jeweils für Klavier solo/each for solo piano
UA/world premiere: 21. November 1984, Kanadisches Nationalballett, Toronto
Länge/duration: 8 Min.
Gesamtzahl der Tänzer/total number of dancers: 1
Rollen/characters: 1 Solist/1 male soloist
Tänzer der UA/original cast: John Alleyne
Bühne und Kostüme/stage and costume design: rosalie, Uwe Scholz
Aktuelle Einstudierungen:
2022 Cottbus
Fotos
Publikation

Zeitsprünge - Leaps in Time (2013)
Werke von Uwe Scholz
Hg. Nadja Kadel/Kati Burchart
Buch hier bestellen