Notations I-IV
In Stuttgart trafen sie zusammen: der Starchoreograf, zu dieser Zeit bereits Direktor in Leipzig, und der Tänzerstar, beide auf dem Höhepunkt ihrer Leistung. Im Wunsch nach einer gemeinsamen Kreation entstand das kaum viertelstündige Solo eines Mannes im Widerstreit mit sich selbst. Gepeitscht wird er dazu vom offiziellen „Opus 1“ eines erst 20-jährigen Komponisten, damals, 1945, noch Student am Pariser Konservatorium. Aus der ursprünglichen Klavierversion, einem Zyklus aus einem Dutzend zwölftaktiger Stücke, schuf Boulez 1978 (revidiert 1984) die entsprechend ausgeweiteten „Notations I–IV“ für Orchester; ihnen folgte 1997 „Notation VII“ in der Orchesterfassung nach. Scholz’ ungemein bravouröse Choreografie zu einer Tonbandaufnahme zelebriert den Formenkanon des klassischen Tanzes und fügt ihn in fast wilder Leidenschaft neu. Nach Vladimir Malakhov tanzten Alexander Zaitsev und Daniel Camargo dieses Solo in Stuttgart. Mit Yuichiro Yokozeki lief es 2004 innerhalb der Scholz-Notizen 1 in Leipzig. Der Ballettkritiker Horst Koegler schrieb über die Uraufführung, jene Notations seien „vier Studien, die das Schrittmaterial des klassisch-akademischen Tanzes sozusagen in seine Elementarteile zerlegen“. Jener Schlusssprung in die Kulisse ist eine befreiende Flucht vor noch mehr, schier nicht steigerbarem Anspruch an sich selbst.
Daten
Musik/music: Pierre Boulez, Notations I–IV (Orchesterfassung/orchestra version)
UA/world premiere: 9. Oktober 1996, Stuttgarter Ballett
Länge/duration: 13 Min.
Gesamtzahl der Tänzer/total number of dancers: 1
Rollen/characters: 1 Solist/1 male soloist
Tänzer der UA/original cast: Vladimir Malakhov
Bühne und Kostüme/stage and costume design: Uwe Scholz