
Bruckners Achte Sinfonie
Von Kindesbeinen an liebte Uwe Scholz nach eigener Aussage die Musik Anton Bruckners. Mit seiner Tanzvision zu dessen Achter Sinfonie c-Moll (Fassung 1890) erfüllte er sich einen Jugendtraum. Nie zuvor hatte sich ein Choreograf an den musikalischen Monolithen, der gleichsam den Werktitel gab, herangewagt, gilt er doch als eine der gewaltigsten Sinfonien, die je geschrieben wurden. Kampf gegen Tod, Ergebung, Vernichtung, Niederlage, im feierlichen dritten Satz das Erleben von Liebe, im hymnischen Finalsatz naiv politische Hoffnungen an ein „Dreikaisertreffen“ jener Zeit sind Bruckners Grundthemen. Die Uraufführung 1892 in Wien wurde für den schwer Kranken ein Triumph. Auch Scholz war bereits psychisch angeschlagen, als er die Sinfonie choreografierte. Zurückgreifen konnte er dabei auf den bereits zwei Jahre zuvor kreierten, erfolgreichen dritten Satz. Um dieses schier endlose Adagio herum, einen der anspruchsvollsten und längsten Pas de Deux der modernen Ballettgeschichte, entwarf er in groß angelegten, filigran ornamentierten Tableaux voller wiederkehrender Motive ein Gleichnis auf Transzendenz und Verklärung, auf den Weg von paralleler Einsamkeit zu Einssein. Geschmeidige Hebungen und Tragefiguren zielen auf ein Gefühl von Leichtigkeit, Fliegenwollen; in ihrer Einfachheit und Langsamkeit verzichten die präzisen Bewegungsabläufe auf jede veräußerlichte Bravour zugunsten innerer Wahrhaftigkeit. War zur Premiere der vierte Satz nicht fertig geworden, lief teils ohne Tanz, so komplettierte Scholz ihn ein Jahr später. Scholz hatte dann in dieser späteren Version im zweiten Satz die nicht mehr verfügbare Solistin Roser Muñoz durch den Solisten Yuichiro Yokozeki ersetzt – auch das gehörte zu seiner Arbeitsweise. Mit Bruckner 8, wohl seinem Opus magnum, dürfte er in enormem Kraftakt den „gläsernen Berg“ der Choreografie bezwungen haben.
Daten
Musik/music: Anton Bruckner, Sinfonie Nr. 8 c-Moll (WAB 108)
UA/world premiere: 24. November 2001, Leipziger Ballett
Länge/duration: 110 Min.
Gesamtzahl der Tänzer/total number of dancers: 48
Rollen/characters: 1 Solopaar/1 leading couple; 2 Solisten/2 soloists; weitere Soloparts/further solo parts; Corps de Ballet
Tänzer der UA/original cast: Kiyoko Kimura, Christoph Böhm; Roser Muñoz, Giovanni Di Palma
Bühne und Kostüme/stage and costume design: rosalie, Uwe Scholz