Zweite Sinfonie
Wenn Uwe Scholz von manchen Kritikern eine zu enge Bindung an die Musik, bis hin zur „strukturellen Kongruenz“, angelastet wird, dann trifft das zumindest inhaltlich auf die Zweite Sinfonie so nicht zu. Robert Schumann hat seine Sinfonie Nr. 2 (C-Dur op. 61) uraufgeführt 1846 im Leipziger Gewandhaus unter Felix Mendelssohn Bartholdy, in der Phase eines gesundheitlichen Tiefpunkts geschrieben, seelisch und körperlich gleichermaßen angeschlagen. „Noch halb krank“, so schreibt er einem Freund, habe er sie verfasst, fühlte sich „nach Beendigung des ganzen Werkes wieder wohler“; dennoch erinnere sie ihn „an eine dunkle Zeit“. Was der hypersensible Romantiker an verzweifeltem Getriebensein unter Qualen aus sich herausgepresst hat – Scholz übersetzt es in die sanfte Erzählung um zwei Seelen. Rangen in der Brust des Komponisten Florestan und Eusebius doppelgängerisch miteinander, führt der Choreograf ein weibliches, beinah siamesisches Zwillingspaar ein. Ihr Freud und Leid, Glück und Kampf ist Thema der viersätzigen Choreografie. Sie verflicht zwei Solo- und zehn Gruppenpaare in Zusammenklang mit der Musik in eine bei aller Gefühligkeit maßvolle Tanzkomposition mit durchsichtigen Raummustern und sinnträchtigen Bewegungsmotiven. Liebe mit ihrer Versonnenheit, ihrem gegenseitigen Einverständnis bildet den Kern, nicht jedoch schrankenloses Verlorensein. Der Menschenfröhlichkeit mischen sich auch tragische Töne bei, Fröhlichkeit indes triumphiert.
Wie üblich hat Scholz seine Urversion, die als Hintergrund vier Bilder des Österreichers Wilhelm Seibetseder projiziert und auch 1994 an der Wiener Staatsoper lief, überarbeitet und dann in eigener Ausstattung präsentiert: 1993 für Les Ballets de Monte Carlo, 1998 für das Leipziger Ballett, 2000 für das Ballett der Staatsoper Berlin, 2003 sowohl für das Ballett der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf als auch für das Ballett Dresden. Die Zweite Sinfonie wurde 2009 für das Estnische Nationalballett in Tallinn, 2011 für das Ballett der Istanbuler Staatsoper sowie 2012 für das Slowakische Nationalballett in Bratislava und das Kroatische Nationalballett in Zagreb einstudiert.
Daten
Musik/music: Robert Schumann, Sinfonie Nr. 2 C-Dur op. 61
UA/world premiere: 10. März 1990, Zürcher Ballett
Länge/duration: 40 Min.
Gesamtzahl der Tänzer/total number of dancers: 24
Rollen/characters: 2 Solistinnen/2 female soloists; 2 Solisten/2 male soloists; Corps de Ballet
Tänzer der UA/original cast: Christine Jaroszewski, Vedrana Ostojic; Styn Celis, Fauzi Mansur
Bühne und Kostüme/stage and costume design: Wilhelm Seibetseder, Uwe Scholz
Aktuelle Einstudierungen:
2022 Leipzig
Fotos
Trailer
Publikation

Zeitsprünge - Leaps in Time (2013)
Werke von Uwe Scholz
Hg. Nadja Kadel/Kati Burchart
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