Die Schöpfung
Eine der gelungensten Kreationen und von wohl unbegrenzter Haltbarkeit: Scholz’ Dauergeschenk an die Welt. Seine Zürcher Zeit hat er damit eingeleitet und einen veritablen Erfolg errungen. Zürichs Operndirektor hatte den Choreografen mit dem Versprechen, Haydns Oratorium dort realisieren zu dürfen, ans Haus gelockt, strich nach dem Premierenjubel 20 Opernvorstellungen, um die Nachfrage befriedigen zu können. 26 Jahre alt war Scholz damals, als er mit der Schöpfung die Tür in seine ureigene Formensprache weit aufstieß. Auch Haydn hatte sich fast 200 Jahre früher mit diesem 1798 beifällig uraufgeführten Alterswerk verausgabt. Auf einer London-Reise war ihm ein Text zum Schöpfungsmythos vorgelegt worden, den Händel zu vertonen abgelehnt hatte. In Wien übertrug Gottfried van Swieten, kaiserlicher Leibarzt, Diplomat und Hofbibliothekar, den Text ins Deutsche. In intensiver Arbeit und naiver Frömmigkeit schrieb Haydn ein eher weltzugewandtes Oratorium, das den Sündenfall ausblendet und die Schönheit einer pantheistisch deutbaren Welt singt. Auch Scholz ging es weniger um Bibelillustration als um Moral und Ethik, die, so sagt er im Interview des Dresdner Programmhefts, sich auch in einer beseelten Körpersprache dem Menschen mitteilen können. Neben dem Reichtum an Bewegungserfindung beeindruckt in seiner Schöpfung der souveräne Umgang mit massigen geometrischen Formen wie Kreis, Karree, Keil, Winkel, Stern, Diagonale und das an der musikalischen Polyphonie orientierte Verfugen von Einzelgruppen miteinander. Scholz’ bei aller Energie schlichtes, Haydn ruhevoll huldigendes Meisterwerk nutzte für die Einstudierungen 1991 in Leipzig (mit nach Scholz’ eigener Aussage erweiterter Besetzung), dort wieder als sein Einstand, 2001 in Dresden und noch 2005 in Rio de Janeiro den fantasiereich abstrakten, 1985 nach Indien-Reisen entstandenen Aquarell-Zyklus „CVIII/108“ des Italieners Francesco Clemente für sein Bühnenbild. Die Kostüme hatte Scholz in Leipzig selbst entworfen, wie er bei jeder Inszenierung ebenso die Choreografie den Tänzern angepasst hat. Im Jahr 2009 wurde für die Einstudierung in Posen in Zusammenarbeit mit Giovanni Di Palma ein neues Bühnenbild entwickelt, das auf Fotoprojektionen von verfremdeten Körperaufnahmen basiert. Auch 2011 wurde dieses Bühnenbild in der ersten Einstudierung des Werks in Tschechien (Brünn) verwendet.
Daten
Musik/music: Joseph Haydn, Die Schöpfung (Hob. XXI:2)
UA/world premiere: 29. September 1985, Zürcher Ballett
Länge/duration: 105 Min.
Gesamtzahl der Tänzer/total number of dancers: 36
Rollen/characters: Adam, Eva, der Engel, weitere Soloparts/further solo parts; Corps de Ballet
Tänzer der UA/original cast: Dale Baker, Sylviane Bayard, Sándor Némethy
Bühne und Kostüme/stage and costume design: rosalie
Foto: John Cranko Schule 2019 © Stuttgarter Ballett
Aktuelle Einstudierungen:
Leipzig 2006
Brno 2011
Ballet du Rhin 2012/13
Crankoschule Stuttgart 2018
Tokio 2021