Rot und Schwarz
In seiner dritten Zürcher Spielzeit wandte sich Scholz erstmals einem abendfüllenden Handlungsballett zu. Dem Anlass angemessen sollte es sein: als Widmung zum 60. Geburtstag seines Stuttgarter „Lehrmeisters“ John Cranko, wenngleich sich beide, bedingt durch Crankos frühen Tod, nur kurz begegnet sind. Früh habe ihn Julien Sorel fasziniert, der Titelheld aus Stendhals 1830 publiziertem Roman „Le Rouge et le Noir“; als „eine großartige Gestalt […] wie er sich durchsetzt, wie er sein Leben lebt“, beschreibt ihn Scholz im Interview. Anderthalb Jahre hat er sich auf die Aufgabe vorbereitet, sogar die Orte des Geschehens bereist. Bei der Charakterzeichnung, vom Libretto bis zur Choreografie, stand der Stuttgarter Meister dezent Pate. Scholz reduziert die politische Motivation des Romans, Sorels und auch Stendhals Begeisterung für Napoleon, auf das im Tanz Vermittelbare, konzentriert sich auf die menschlichen Konflikte bei Juliens ehrgeizgetriebenem Aufstieg, der die Frauen um ihn als Wegstufen nach oben benutzt. Sein Seelendrama der falschen Leidenschaften koppelt Scholz an Musik von Hector Berlioz: von „Le Corsaire“, „Les Troyens“, „Harold en Italie“, „Béatrice et Bénédict“, „Roméo et Juliette“, „Le Carnaval Romain“ bis zum „Te Deum“ und der „Symphonie Funèbre et Triomphale“ reichen die passgenau eingesetzten Anleihen. Busingers Ausstattung skizziert zurückhaltend die Zeit: das Empire aus Stendhals Gegenwart. Die Mailänder Scala übernahm Rot und Schwarz 1995 (mit Massimo Murru als Sorel), wenige Monate später dann auch das Ballett Dresden (mit Vladimir Derevianko), beide, wie üblich bei Scholz, in leicht angepasster Version. Nach Leipzig gelangte das Werk erst 2002 (mit Joan Boix).
Daten
Rot und Schwarz
Die Geschichte des Julien Sorel
Ballett in drei Akten
Musik/music: Hector Berlioz, Collage aus Le Corsaire op. 21, Les Troyens op. 29, Harold en Italie op. 16, Béatrice et Bénédict op. 27, Roméo et Juliette op. 17, Te Deum op. 22, Le Carnaval Romain op. 9, Symphonie Funèbre et Triomphale op. 15
UA/world premiere: 9. Januar 1988, Zürcher Ballett
Länge/duration: 110 Min.
Gesamtzahl der Tänzer/total number of dancers: 36
Aktuelle Einstudierungen:
Ballet du Rhin
Fotos
Publikation

Zeitsprünge - Leaps in Time (2013)
Werke von Uwe Scholz
Hg. Nadja Kadel/Kati Burchart
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