Das Stuttgarter Ballett und das Nederlands Dans Theater zeigen zwei neue Uraufführungen von Marco Goecke
Innerhalb von einer knappen Woche werden zwei neue Choreographien von Marco Goecke uraufgeführt: "Lucid Dream" beim Stuttgarter Ballett und "Woke up blind" beim Nederlands Dans Theater.
Über den Stuttgarter Premierenabend schrieb Eva-Elisabeth Fischer in der Süddeutschen Zeitung: "Frenetischer Jubel: Drei Namen, drei Stile, drei Konzepte. "Forsythe/Goecke/Scholz" - diese Kombination allein garantiert schon ein Tanzfest beim Stuttgarter Ballett. Neu ist das Stück "Lucid Dream" von Marco Goecke. Es wird ebenso großartig und bis ins Kleinste perfekt getanzt wie auch Bill Forsythes synkopisch verschraubtes "Second Detail" und die in ihrer Musikalität kongeniale Beethoven-Anverwandlung "Siebte Sinfonie" von Uwe Scholz..
Malers 10. Sinofnie hatte sich Goecke für "Lucid Dream" gewählt, das Stück, zudem John Cranko seine letzte Choreographie "Spuren" geschaffen hatte. Fischer schreibt: "Je weiter "Lucid Dream" fortschreitet, desto stimmiger ergänzen die Musik und der Tanz einander in ihrer Gegensätzlichkeit. Goeckes Gruppen- und Solotänze lassen sich als Kürzel für Schlüsselszenen aus den letzten Lebenswochen des Komponisten lesen. Der litt, als er die Zehnte komponiere, an Körper und Seele."
Musikalisch sicherlich einfacher war da Goeckes Auswahl für das Nederlands Dans Theater: Die songs „You and I“ und „The way young lovers do“ des jung und tragisch verstorbenen Rockmusikers Jeff Buckley setzen sich auf unterschiedliche Weise mit der Liebe auseinander, der erste langsam und mit stark gedehntem Gesang, der zweite mit schneller, fast hektischer Gitarrenbegleitung. In beiden kommt der außergewöhnliche Stimmumfang des Sängers zur Geltung. Sie bilden die Grundlage für Marco Goeckes neueste Choreographie „Woke up Blind“. Die zwei Tänzerinnen und fünf Tänzer werden in eine Klangwelt hineingezogen, deren Intensität die Wirkung hat, als ob sie von allen Seiten gleichzeitig entzündet würden. Sie scheinen sich im Wettstreit mit Buckleys Stimmgewalt und den frenetischen Gitarrenklängen, vor allem des zweiten Songs, selbst zu übertreffen. Wie „young lovers“ werfen sie sich ohne Rücksicht auf Verluste, nur von Sehnsucht getrieben, ins Geschehen. Sie rütteln nervös an ihren roten Samthosen, wie wenn sie ihr gesamtes Dasein herausschütteln wollten, um es besser zu verstehen. Wieder einmal gelingt es Goecke, durch pure, hochkomplexe Bewegung an die Basis menschlicher Gefühle zu gelangen. Aus dem Hintergrund vom Licht weit entfernter Sterne beleuchtet, ist alle Aktion auf das Jetzt konzentriert, vielleicht blind vor Liebe, jedenfalls stark, weil sie nichts zu hinterfragen braucht.
Nadja Kadel
Foto Copyright: Stuttgarter Ballett
Choreographie: Lucid Dream von Marco Goecke
Tanz: Constantine Allen und Agnes Su
(12.02.2016)