Fast auf den Tag genau seit 10 Jahren choreographiert Demis Volpi
Am 19. Mai 2006 hatte Volpis erstes Stück "on and on and on" bei einem Abend "Junge Choreographen" der Stuttgarter Noverre-Gesellschaft Premiere. Seitdem ist er nicht nur zum Hauschoreographen des Stuttgarter Balletts ernannt worden, sondern ist weltweit für Uraufführungen und Einstudierungen gefragt: Zu seinen Stationen in den letzten Jahren gehören neben dem ABT in New York auch das Haburg Ballett, die National Ballet School of Toronto, das Chilenische Nationalballet, das Ballet Sodre Uruguay, das koreanische Nationalballet, das Northern Ballet Leeds, das Lettische Nationalballet Riga, das Finnische Natioalballett und viele mehr. Derzeit arbeitet Volpi an seiner abendfüllenden Produktion "Salomé", die am 10. Juni 2016 im Opernhaus Stuttgart uraufgeführt werden wird.
Probenfoto Stuttgarter Ballett für die Produktion “Salomé” von Demis Volpi
Foto: Roman Novitzky
Die Stutrgarter Nachrichten berichten am 24.5.2016 im Kulturreport Stuttgart über die Uraufführung von „Salome“:
“„Die Figuren entwickeln ein Eigenleben“
„Ich habe beim Schaffen bis jetzt eher das Gefühl, ein Archäologe zu sein als ein Erfinder“, umschreibt Demis Volpi seine Arbeit an „Salome“, dem zweiten abendfüllenden Ballett, das er als Hauschoreograf für das Stuttgarter Ballett choreografiert. Am 10. Juni wird es am Opernhaus uraufgeführt. Volpis Idee, die Geschichte der Tochter des Königs Herodes und Johannes des Täufers mit der Sprache des Tanzes zu erzählen, hat ihren Ursprung in der Richard-Strauss-Oper „Ariadne auf Naxos“, die der Tänzer sich in der viel gelobten Inszenierung von Sergio Morabito und Jossi Wieler angesehen hatte. „Ich wollte wissen, welche Opern Strauss noch geschrieben hat.“
Und so stieß er rasch auf die 1905 uraufgeführte „Salome“ und das 1891 von Oscar Wilde veröffentlichte Drama, das dem Libretto zugrunde liegt. „Ich habe das Stück mehrmals gelesen und immer wieder etwas Neues darin gefunden“, erzählt der gebürtige Argentinier. „Bei Salome interessieren mich vor allem die Fragen, die das Stück stellt.“ Beispielsweise durch die Charakterisierung der Salome, die viele männliche Züge trägt. Vor allem in der Art und Weise, wie sie ihre Sehnsucht und ihren Trieb auslebt. Sie möchte Johannes den Täufer, der bei Wilde Jochanaan heißt, besitzen. Sie macht ihn zum Objekt. „Das ist etwas, das sonst eher Männer tun“, so Volpi. Jochanaan wiederum verweigert sich ihr und sieht sie nicht an, was sie als Prinzessin nicht gewohnt ist.
Zugleich fühlt sich die Stieftochter des Herodes, deren Name im entsprechenden Bibeltext gar nicht genannt wird, dem asketischen, oft als Rebellen angesehenen Propheten in gewisser Weise seelenverwandt. „Salome empfindet gegenüber ihren Eltern wie die meisten Teenager in ihrem Alter starke Ablehnung. Sie möchte dem Elternhaus entkommen und sieht sich und ihre Sehnsucht in gewisser Weise in Jochanaan gespiegelt“, sagt er. „Und Herodes unterschätzt die junge Frau. Denn er verspricht, ihr zu gewähren, was sie will, noch ehe sie getanzt hat – und ohne zu wissen, wie sie tanzen und was sie dafür verlangen wird.“ Man müsse Oscar Wildes Stück vorsichtig lesen, hat Volpi festgestellt. Der englische Autor beschreibe eine erfundene Frau mit den Augen eines homosexuellen Mannes. Und der so oft zitierte Tanz der sieben Schleier: „Er ist eine Erfindung Wildes“, so Volpi.
Sein Weg, das Tanzstück „Salome“ zu erschaffen, ist ein besonderer: „Die Figuren zeigen sich mir beim Proben, wie sie sich zeigen wollen. Nicht, wie ich sie sehen möchte. Sie haben ein Eigenleben. Oft weiß ich vorher noch nicht, wohin es geht.“ Wilde hat in seinem Stück eine erotisch aufgeladene Stimmung geschaffen. Die Sprache des Tanzes ist für ein Thema wie „Salome“ ein besonders geeignetes Ausdrucksmittel. „In ihr ist die Sinnlichkeit inbegriffen. Die erotisch aufgeladene Stimmung können wir im Tanz wunderbar umsetzen.“ Das Stück entwickle sich so zu etwas, das viel größer sei, als er es sich vorgestellt habe. (gab).”
(21.05.2016)