Marco Goecke kreiert wieder für Les Ballets de Monte Carlo: "Verklärte Nacht" von Arnold Schönberg
Die Liebe ist die Nacht. Das Theater ist die Nacht.
Foto: Nadja Kadel
Arnold Schönberg ließ sich für sein Werk „Die verklärte Nacht“ von Richard Dehmels Gedicht „Zwei Menschen aus Weib und Welt“ (1896) inspirieren. Das Gedicht behandelt Themen, die damals tabu waren, wie uneheliche Schwangerschaft und gesellschaftliche Moral. Dehmels expressionistische Dichtung zwang Schönberg, nach neuen harmonischen Ausdrucksmitteln zu suchen, die über die Einflüsse von Brahms und Wagner hinausgingen. Diese Suche gipfelte in der chromatischen Dichte und dem „schwebenden“ Klangbild von Verklärte Nacht, das bereits auf Schönbergs spätere Atonalität hinweist.
Schönberg verwandelte den Text in eine universelle Darstellung der menschlichen Empathie und der Verbundenheit mit der Natur. Die Musik evoziert nicht nur die Handlung – z. B. die Schritte im Mondlicht oder die emotionalen Spannungen -, sondern überhöht sie zu einer metaphysischen Erfahrung, wie Schönberg selbst betonte.
Goeckes Choreografie hingegen steht in keinem Zusammenhang mit Dehmels Gedicht, obwohl die Liebe das große Thema dieses Stücks ist: vergangene Liebe, verlorene Liebe, unglückliche Liebe und Einsamkeit. Goecke beschreibt die Sogkraft von Schönbergs Musik auf ungewöhnliche Weise: „Diese Musik erzeugt für mich denselben Rausch, den ich in den 1990er Jahren in einem Techno-Club in Berlin erlebt habe. Die Jugend ist präsent, Herz an Herz, man hat Nächte verbracht, die zu schön waren, um zu schlafen“.
Große Träume, tiefe Dunkelheit – kann man die Nacht und den Himmel zerschneiden? Der verliebte Clown versucht es. Eine Tänzerin und ein Tänzer finden sich in einem schnellen, energiegeladenen Pas de deux, aber alles endet mit zwei schlechten Schlägen und, gescholten und gebrochen, bleibt er allein zurück. Ein anderer Tänzer zeigt seine Einsamkeit, Verletzlichkeit und Traurigkeit in einem ergreifenden Solo. In einer großen Gruppe bleibt er außen vor, obwohl sie alle dasselbe sagen: „Die Liebe ist wie ein Tier, das man die ganze Nacht hindurch füttert; wenn der Tag kommt, stirbt die Liebe“. Die Nacht wird verklärt, nicht der Tag. Sie wird verklärt, weil man selbst verliebt und verklärt ist. Der Tag bringt die Realität.
Am Ende steht das „Ich verlasse dich jetzt“. Danach gibt es nur noch eine Hoffnung: den Mond.
Nadja Kadel
(25.06.2025)