"Canela Fina" von Cayetano Soto -
begeisterte Resonanz beim Publikum in Sao Paulo
Die kompromisslose post-minimalistische Komposition “Weather” des amerikanischen Musikers Michael Gordon breitet einen Klangteppich aus, der jene Naturkräfte erzeugt, die aus Cayetano Sotos Choreografie “Canela fina” massiv hervorbrechen. Die Elemente sind in Unordnung geraten, eine undefinierbare Macht hat die Kontrolle übernommen, Hochgeschwindigkeits-Athleten ergreifen Besitz von der Bühne . Doch noch etwas anderes liegt in der Luft: Kleine Gesten und Bewegungen verweisen auf eine Energie, die sich einer rationalen Erklärung verschließt. Nach und nach verwandelt sich die sinnlich aufgeladene Atmosphäre in ein Szenario der emotionalen Spannung, der Verzweiflung. Der emotionale Ausnahmezustand ist allgegenwärtig: Er zeigt sich in den komplexen Pas de Deux wie auch in den starken Gruppenszenen. Er wird von den nervösen und repetitiven Rhythmen der Musik evoziert, aber auch von einer wiederholt eingesetzten natürlichen Substanz befeuert: vom Zimt – nicht nur ein Gewürz mit aphrodisierender Wirkung, sondern ebenso eine Art Staub und somit Symbol für den Ursprung wie auch die letzte Bestimmung aller materiellen Dinge. Sotos Stück gibt Einblick in die ständige Interaktion von äußeren Einflüssen und den inneren Zuständen der menschlichen Existenz, wie sie von den Bewegungen der Tänzer dargestellt werden. Der Zimt ist daher weniger in seiner wörtlichen Materialität zu verstehen als in seiner metaphorischen Bedeutung, wie es auch die titelgebende Redewendung “Canela fina” nahelegt.
(07.07.2008)