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Erste Choreografie von Uwe Scholz am Janácek-Theater in Brünn

"Jubel für "Die Schöpfung"" - so die Überschrift der folgenden Kritik von Boris Michael Gruhl für das Tanznetz.

Als Uwe Scholz, gerade mal 26 Jahre alt, 1985 beim Zürcher Ballett die Chefposition antrat und ausgerechnet mit Joseph Haydns Oratorium „Die Schöpfung“ als Choreografie die Tanzweltbühne betrat, war das eine Sensation. Einerseits in Hochachtung vor der Musik, in feinsinnigem Nachspüren der Melodien, der Motive und vielfältigen klangbildartigen Schilderungen des Geschehens der sechs Schöpfungstage mit abschließender Hommage an das menschliche Leben, zum anderen aber in tänzerisch konsequent selbstbestimmter Interpretation, die sich jeder Art von Illustration verweigert.

Haydns Oratorium ist da zu Ende, wo die Menschen das Paradies betreten. Kein Wort, kein Takt von Sündenfall, Vertreibung, Mord und Todschlag, doch immerhin im letzten Rezitativ die Warnung vor dem falschen Wahn, mehr haben zu wollen als man hat, mehr wissen zu wollen als man weiß. Die Folgen sind bekannt, und auch ein Choreograf wie Uwe Scholz schuf Werke, die verstören und alles andere als paradiesische Verhältnisse zum Thema haben, man denke nur an seine Leipziger Solochoreografie „Le sacre du printemps“.
In „Die Schöpfung“ aber wird der Eindruck immer stärker, gerade jetzt bei der erneuten Begegnung nach so vielen Jahren und mit den großartigen Einstudierungen in Leipzig und Dresden im Gedächtnis, dass es Uwe Scholz darum gegangen war, was es bedeutet, dass Gott dem Menschen den Atem des Lebens ins Gesicht hauchte und der Mensch zur lebendigen Seele wurde, wie im Rezitativ Nr. 23 gesungen wird.

Foto © Theater Brünn

Am Janáček-Theater in Brno (Brünn) haben Montserrat León und Giovanni di Palma, beide Protagonisten seiner ehemaligen Leipziger Kompanie, das in formaler Konsequenz sicher zeitlose Werk einstudiert. In der Begegnung mit einem neuen Ensemble, Tänzern, Sängern, Musikern, dem Publikum vor allem, ist es aber alles andere als zeitlos. Da sind jene Szenen von theatraler Wucht, wie der Beginn, wenn aus Dunkelheit und Stille das Theater durch Licht zum Leben erwacht. Wenn sich das Chaos der Theatermaschinerie zum Raum ordnet und die völlig leere und schmucklose Bühne einzig durch Klang und die Bewegung menschlicher Körper zum Paradiesgarten wird. Die unerlässlichen geometrischen Figuren und ihre Zerstörung, die Flugbewegungen der hoch erhobenen Frauen, dann aber wieder Passagen, die ganz der Erdenschwere geschuldet sind, verträumte Einsamkeit und Überschwang der wild den Raum durchwirbelnden Gruppe. Ob in den wunderbaren Soli, in den anspruchsvollen Duetten, im Wechsel der Gruppe mit den Solisten, es ist in allem das bestimmende Thema, der Tanz ist in jedem Moment des Geschehens schöpferischer Akt und Sinnbild der Vergänglichkeit zugleich. Gefährdung und Verletzlichkeit der Tänzer als Abbilder jener beseelten Menschlichkeit, um die es in Haydns Musik und in der Choreografie von Uwe Scholz geht, sind die kontrapunktischen Themen dieser Erstbegegnung mit dem Werk in Brno und damit in Tschechien überhaupt.
Giovanni di Palma hat zudem eine neue Ausstattung geschaffen, starke Fotoprojektionen von Landschaften menschlicher Haut als Sinnbild für Schutzbedürfnis und Ausgeliefertsein, nicht zuletzt für das Recht auf Unverletzlichkeit.

Die Kompanie des Janáček-Theaters betritt mit dieser Premiere neues Tanzterrain. Der Weg kann nicht ohne Beschwernisse gewesen sein. Die Ankunft aber zeigt eine überzeugende Truppe, Solistinnen und Solisten, überzeugend in der Kraft höchst individueller Leistungen. Von starker Wirkung die Brechungen klassischer Linien, plötzliches Verweilen, Richtungswechsel oder immer wieder die für Uwe Scholz signifikante Zärtlichkeit der Hände, die als Motiv in der Tradition Michelangelos in den Fotoprojektionen behutsame Entsprechungen findet.

Das Publikum jubelt. Jubel auch für Orchester, Chor und Solisten unter der Leitung des neuen Brünner Generalmusikdirektors Caspar Richter. Er führt das Ensemble zügig, mit Gespür für rhythmische Verlässlichkeit, zarte und lyrische Passagen erfahren hohe Zuhörerkonzentration, Haydns gläubiger Jubel erstrahlt hell, soweit die Akustik des Raumes mitspielt. Richter dirigiert in neuer Position seine erste Premiere in Brünn, ein Unbekannter ist er nach reger Konzerttätigkeit hier nicht. Ballett aber als Chefsache, das ist ein gutes Zeichen.

Autor: Boris Michael Gruhl für www.tanznetz.de

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(25.01.2011)

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